SFB 779

Neurobiologie motivierten Verhaltens

Teilprojekt B17N

Die Verarbeitung räumlicher und nicht-räumlicher Information bei motiviertem Erinnern

Prof. Dr. Magdalena Sauvage

Prof. Dr. Magdalena Sauvage

Motivation ist einer der wichtigsten Faktoren, die die Formierung und den Abruf von Erinnerungen beeinflussen. Der mediale Temporallappen (MTL), welcher von zentraler Bedeutung für episodisches Gedächtnis ist, beherbergt den Hippocampus und die parahippocampalen Areale, zu denen der laterale und der mediale entorhinale Cortex zählen. Der MTL erhält direkten und indirekten Input aus allen Hirnbereichen, die an der Modulation motivationaler Zustände beteiligt sind. Ein einflussreiches Konzept über die Implementierung des episodischen Gedächtnis ist die ‚Zwei-Pfade-Hypothese’. Diese besagt, dass die Verarbeitung räumlicher und nicht-räumlicher Information zwei separaten corticalen Pfaden zuzuordnen ist, die schließlich zu einer Gedächtnisepisode auf der Ebene des Hippocampus integriert wird. Jedoch mangelt es an empirischer Evidenz für eine derartige Integrierung. Die besagten Pfade projizieren zu unterschiedlichen proximo-distalen Teilen des Hippocampus, was der Annahme einer Integrierung der Information widerspricht. Tatsächlich haben wir kürzlich, mit Hilfe appetitiver Verhaltensparadigmen, Beweise für die Existenz segregierter räumlicher und nicht-räumlicher Subnetzwerke entlang der proximo-distalen Achse der hippocampalen Untereinheiten CA1 und CA3 vorgelegt. Dies veranlasste uns zur Entwicklung völlig neuer Vorstellungen über die Rolle der Teilnetzwerke, die vorwiegend räumliche und nicht-räumliche Information getrennt entlang der proximo-distalen Achse des Hippocampus verarbeiten. Bisherige Ergebnisse legen nahe, dass beim Abruf von Erinnerungen verschiedene Motivationsprozesse teilweise unterschiedliche Areale des MTL involvieren könnten. Der vorliegende Antrag hat zum Ziel, die aufgeführten Netzwerke vollständiger zu charakterisieren. Dabei möchten wir als Erstes untersuchen, ob sich die Aktivität in den räumlichen und nicht- räumlichen Teilnetzwerken in Abhängigkeit vom Typ der motivationalen Zustände unterscheidet. Hierzu bedienen wir uns aktivitätsgebundener Bildgebung auf zellulärer Ebene, welche durch den Nachweis des Genproduktes des Immediate-Early-Gene Arc erfolgt. Mit dieser Methode sollen die proximalen und distalen Unterebenen CA1 und CA3 in Ratten untersucht werden wobei die Tiere räumliche und nicht-räumliche Varianten eines aversiven motivierten Verhaltensparadigmas (Angstkonditionierung) sowie eines eher neutralen Verhaltensparadigmas (spontane Objektwiedererkennung) absolvieren sollen. Als Zweites werden wir die neuronale Synchronisierung zwischen den Arealen innerhalb der einzelnen hippocampalen Teilnetzwerke untersuchen. Dazu sollen in-vivo elektrophysiologische Messungen in Ratten durchgeführt werden(Kollaboration mit Projekt B01) Die Tiere sollen dabei dieselben appetitiven Verhaltensparadigmen absolvieren, mit denen die Teilnetzwerke ursprünglich charakterisiert wurden. Als Drittes soll geklärt werden, ob diese hippocampalen Teilnetzwerke einem größeren segregierten MTL-Netzwerk zugehörig sind. Dies soll auf corticaler Ebene (lateraler und medialer entorhinaler Cortex) durch optogenetische Inhibition von Nervenzellen erreicht werden. Zuletzt möchten wir im Rahmen eines translationalen Ansatzes die Existenz analoger Teilnetzwerke mit Hilfe von 7T fMRT im Menschen nachweisen (Kollaboration mit Projekt A02/A07). Das generelle Ziel dieses Forschungsvorhabens ist es, das völlig neuartige Konzept der segregierten Verarbeitung von räumlicher versus nicht-räumlicher Information im MTL weiterzuentwickeln und insbesondere zu klären, in welchem Ausmaß die Funktion dieser Netzwerke motivationale Zustände reflektiert.